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Gletscher- Hahnenfuß |
Sulitjelma Juli / August 1990
Sulitjelma - Sorjoshytta; - Riksgrense - Blåmannsisen - Storevvattnan - Sulitjelma, 55 km
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Die Tour im Überblick |
Tag 1: Sulitjelma - Sorjushytta, 15 km
Die bislang kürzeste Tour war eine reichlich spontane Angelegenheit. Wir waren zuvor in Südnorwegen unterwegs: auf der Hardangervidda, am Aurlandsfjord, in Bergen und in Oslo.
Dann packte uns der Drang nach Norden, und wir fuhren mit der Nordlandbahn nach Fauske. Ein freundlicher Däne mit einem Kleinlaster voller Heizungsventile nahm uns mit nach Sulitjelma,
das eigentlich gar nicht auf seinem Weg lag: Er war unterwegs von Tromsö heim nach Kopenhagen! Da fällt der Umweg wirklich kaum ins Gewicht. Im an Zerstreuung nicht gerade reichen
Sulitjelma campieren wir in der Nähe des Hotels, dessen Zimmer zu kostspielig sind für knappe Pfadfinder-Kassen. Dafür leisten wir uns einen Transfer mit dem kleinen Hotelbus hoch nach Ny Sulitjelma am
nächsten Morgen. Das erspart uns die langen öden Serpentinen der Straße und hebt die Stimmung beträchtlich. Vor uns liegt der Weg zur Sorjoshytta. Der ist lange und führt
zunächst ständig bergauf. Wir haben es nicht eilig und nehmen das ehemalige Bergbau-Gelände ein wenig unter die Lupe. Raui findet sogar einen schönen Stein. Auch
der beträchtliche Wasserfall in der Nähe des Pfads findet unsere Beachtung, ehe wir uns ernsthaft auf den Weg machen. Die Bachüberquerung östlich des Storevattnan macht einigen von uns Probleme und nasse Füße, aber nichts Ernstes. Inzwischen haben uns die
mächtigen Berge des Sulitjelma-Massivs und das in Massen vorhandene Eis in ihren Bann geschlagen. Nicht nur die Lappland-Neulinge unter uns sind fasziniert. Der Anstieg zur
Passhöhe fordert Zeit und Kraft. Dafür belohnt uns ein umwerfender Blick über die kleinen Siorjos-Seen. Wir stehen an der Wasserscheide zwischen Ostsee und Nordmeer und sind
völlig platt. Unter uns schimmern Eisschollen im tiefblauen Wasser. Ein eisig kalter Wind versucht, uns vom Grat zu blasen.
Wir steigen hinab in den Kessel und marschieren größtenteils über riesige Schneefelder. Nach dem zweiten, kleineren Aufstieg im Norden sehen wir ganz in der Ferne unser Ziel: die
Hütte am See. Aber bis dahin liegt noch einiges vor uns. Das Wetter gönnt uns eine Extraportion Sonne, so dass wir auf den Schneefeldern permanent die Augen zukneifen. Als
letztes Hindernis vor der Hütte überrascht uns ein besonders steiles Schneefeld. Das beschert einigen von uns eine spannende unfreiwillige Rutschpartie. Danach geht's noch
durch einen seichten Bach, ehe wir vor den Hütten stehen. Seit 1988 ist noch eine größere dazu gekommen. Die ist verschlossen, aber die kleinere ist offen und unbewohnt. Wir ziehen
ein, und freuen uns über das gemütliche Innere und über den Schutz vor dem Eiswind.
Tag 2: Riksgrense und zurück, 12 km
Heute ist ein Ausflug angesagt. Weil aber das Wetter recht feucht ist, haben nicht alle
wirklich Lust, die Hütte zu verlassen. Also starten wir zu fünft: Manu, Angi, Kimbo, Willi und ich folgen dem markierten Weg am Südufer des oberen Sorjos-Sees entlang. Wir wollen nach Schweden. Die Grenze verläuft etwa einen halben
Tagesmarsch entfernt von uns quer durch die Wildnis. Auf den Bergkämmen glitzert Eis, und wir sind, befreit von den schweren Rucksäcken, guter Dinge. Überall stürzen Bäche zu
Tal, die Luft ist erfüllt von einem stetigen Rauschen. Die Tour ist eher ein langer Spaziergang als eine Wanderung - das gefällt uns gut. Und das obwohl wir unser Ziel nicht erreichen. Der
Bach aus dem Koskedal führt zu viel Wasser, wir kommen nicht
hinüber. Nur erahnen können wir das kleine gelbe Grenzschild in der Ferne. Wir stromern ein wenig im Koskedal mit seinen riesigen Findlingen herum, ehe Manu, Angi und Willi wieder den
Weg zurück zur Hütte einschlagen. Kimbo und mir steht der Sinn nach Höherem. Wir steigen auf den etwa 1200 Meter hohen Bergrücken südlich des Sees. Der ist leicht zu erklimmen und
bietet zweierlei Attraktionen. Zum einen Ausblick: oberer und unterer Sorjos-See in Flugzeugperspektive, das Sulitjelma-Massiv und mehr. Zum anderen steile Schneefelder, über die wir wieder hinunter
ans Seeufer rutschen. Zum ersten Mal erleben wir auf diese Art einen wahren Geschwindigkeitsrausch, der uns die nassen Hosen völlig vergessen lässt. Kaum sind wir
unten, stoßen Manu, Angi und Willi wieder zu uns. Wir erzählen ihnen derart begeistert von unserer Rutschpartie, dass sie - vor allem Angi - in den folgenden Tagen immer wieder nach Schneefeldern suchen.
Tag 3: Blåmannsisen und zurück , 7 km
Weil unsere Zeit ohnehin nicht für eine große Tour reicht, ist für heute wieder ein Ausflug eingeplant. Wir wollen zum Blåmannsisen, einem der größten Gletscher Europas. Der liegt
quasi vor unserer Hüttentür. Wir marschieren am Ufer des Oberen Sorjos-Sess nach Westen. Auch hier liegt noch eine fast geschlossene dicke Schneedecke. Dann steige wir ein
enges Tal hinauf, vorbei an einem kleinen schillernden Gletscherseechen, ehe wir rechts abbiegen und eine Bergflanke hinaufsteigen. dann liegt sie vor uns: eine riesige
weiße Fläche bis zum Horizont - der Blåmannsisen. Eis soweit das Auge reicht und davor der große Gletschersee voller Eisschollen. So stellen wir uns
Grönland vor. Wir haben keine Chance, die Fläche des Eisriesen richtig einzuschätzen, immer wieder schauen wir auf die Karte und staunen über die Größenverhältnisse. In einer windgeschützten Kuhle machen wir Pause und lassen uns
sogar ein wenig von der heute sehr schüchternen Sonne wärmen. Danach schlagen wir einen Bogen und überqueren den Bergrücken in Richtung Hütte. Von oben sehen wir wieder
den kleinen tiefblauen Gletschersee. Zu unserer Freude liegen einige Schneefelder auf unserem Weg, die allen großen Spaß bereiten. Nur Angi rutscht ein wenig zu weit, und bezahlt mit
einigen Schrammen und Rissen in ihrer Trekking-Hose. Einige Unentwegte nehmen sogar noch einen steilen Umweg für ein noch längeres Schneefeld in
Kauf. Wir sind mittlerweile doch recht hungrig und durchgefroren und freuen uns auf einen gemütlichen Abend in der Hütte.
Tag 4: Sorjushytta - Storevattnan, 6 km
Nicht alle wollen heute wieder zurück. Deshalb macht sich nur ein Teil der Gruppe auf den Rückweg Richtung Sulitjelma, der Rest bleibt noch für einen Tag in der Hütte. Wir anderen
wollen die Passhöhe überqueren, in den Zelten übernachten und dann in Ny Sulitjelma auf die anderen warten. Zunächst aber erwartet uns ein richtiges Abenteuer. Nach dem
kräftezehrenden Aufstieg über das Schneefeld umhüllt uns dichter Nebel. Wir sehen fast nichts. Dick eingehüllt tasten wir uns förmlich von Wegmarkierung zu Wegmarkierung. Je höher
wir kommen, desto dichter wird die Waschküche. Zudem weht ein eisiger Wind aus Westen, der vor allem uns Brillenträger nervt: das rechte Brillenglas
beschlägt laufend. Da wir ohnehin nichts sehen, nehme ich die Brille ab. Der Unterschied ist nicht relevant. Ein ums andere Mal gehe ich voraus und suche die nächste rote Markierung.
Wir bleiben durch lautes Rufen miteinander in Kontakt. Erst nach der Passhöhe entkommen wir dem Nebel. Gut zwei Stunden waren wir unterwegs, ehe wir oberhalb des Storevattnan
unsere Zelte aufbauen. Weil der Tag zwar nicht sehr sommerlich, dafür aber noch recht jung ist, starte ich eine kleine Tour auf die Hänge des Stortoppens im Sulitjelma-Massiv. Ich
überquere den namlosen Bach vom Sulitjelma-Massiv an seinem Oberlauf und steige dann eine Bergflanke hinauf. Ohne ein festes Ziel wähle ich die Schneefelder als Route - das ist
anstrengend, geht aber schnell. Nach einer knappen Stunde stehe ich auf einem Vorgipfel. Von hier müsste ich eigentlich eine tolle Aussicht haben, aber leider wird's schon wieder
neblig. Aus dem Tal steigen dichte Wolken herauf, und wenig später bin ich wieder
eingehüllt. Weitergehen wäre gefährlich. Ich setze mich auf einen Stein und warte, schließlich habe ich keine Eile. Irgendwann aber wird das Warten zur Nervensache. Schließlich
will ich hier oben nicht übernachten. Notgedrungen und schon etwas ausgekühlt, versuche ich wieder abzusteigen. Ich erreiche ein Schneefeld und stehe plötzlich im Nichts. Um mich
herum ist alles weiß. Es gibt abgesehen von meiner Kleidung keine Farben mehr. Ich verliere die Orientierung und werde unsicher. Als das Schneefeld
plötzlich anzusteigen beginnt, kehre ich um. So geht's nicht. Ich warte noch ein wenig, dann lichtet sich der Nebel etwas. Ich finde die Abstiegsroute wieder und bin nach einer weiteren
knappe Stunden sehr froh über unsere auffälligen blauen Zeltdächer - die sind leichter zu finden.
Tag 5: Storevattnan - Sulitjelma 9 km
Wir sind noch nicht wieder vereint. Getrennt nehmem wir das letzte Stück Weg in Angriff. Eine unspektakuläre Etappe, auf die niemand so recht Lust hat. Schließlich markiert sie das
Ende unseres kurzen Lapplandtrips. Das Wetter ist eher mittelprächtig, und wir trotten den markierten Weg entlang
hinunter nach Ny Sulitjelma. Im unverschlossenen Gebäude des alten Bergbaubetriebs warten wir auf den Rest der Truppe und auf den bestellten Kleinbus. So ersparen wir uns ein zweites Mal
die lange öde Serpentinenstrecke hinunter ins Tal. Vor uns liegt noch ein weiter Weg, allerdings ein sehr zivilisatorisch geprägter: Mit dem Bus nach Fauske.
Von dort weiter nach Narvik. Und schließlich mit der Bahn über Kiruna, Gällivare und Stockholm wieder nach Hause.
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