MATZE-TOURS

2017

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Lappland-Trekking

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Die Touren

Zweifarbige Kratzdistel
Zweifarbige Kratzdistel

Sarek
22. - 31. August 2017
Tjamotis - Sitoätno - Aktse - Nammatj - Skarki - Snavvavagge - Pielavalta - Kukkesvagge - Atjek - Vuoskelvagge - Suorva,  96 km


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Die Tour-Karte
Die Tour im Überblick


 

Tag 1: Tjamotis - Sitoätno, 1 km

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Heute Morgen sind Rumhart und ich in Murjek, einem Dorf knapp unterhalb des Polarkreises, aus dem Liegewagenabteil des Zuges gestiegen. So ziemlich als einzige. Mit dem Bus ging es weiter in die Gemeinde-Hauptstadt Jokkmokk.Die Brücke über den Sitoätno. Ganz formlos haben wir dabei den Polarkreis überquert. In Jokkmokk umsteigen und weiter nach Tjamotis, etwa 1 Stunde vor Kvikkjokk. Insgesamt also mehrere Stunden Busfahrt durch menschenleere Wald- und Seen-Landschaften. In Tjamotis hat uns dann ein alter Schwede in seinen beinah ebenso alten Benz geladen und quer durch die Pampa an die Brücke über Erster Lagerplatz, bei der Sitoätno-Brücke.den Sitoätno gefahren. Die Brücke markiert die Grenze zwischen zivilisierter Welt und Wildnis. Wir haben uns relativ schnell ein Plätzchen im Birkenwald gesucht und dort im Zelt geschlafen, was gar nicht so einfach war, weil es einfach nicht Nacht werden wollte. So ist das im Sommer im Hohen. Norden..    

Tag 2: Sitoätno - Nammatj 10 km

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Erster Marschtag. Die Rucksäcke sind noch unglaublich schwer. Voller Verpflegung für zehn Tage. Und wir sind die Last noch nicht gewöhnt. Gut, dass es heute ebenerdig auf einem Fahrweg vorangeht. Aber eben auch gut 8 Kilometer lang. Blick auf den Skierfe von Aktse aus.Wir müssen uns beeilen, weil wir einen Bootstransport nach Aktse vereinbart haben. Es ist bewölkt und nieselt immer wieder mal. Normales Wetter hier. Am Bootsanleger erwartet uns Anne-Sophie. Die Samin fährt uns über den Laitaure (See) nach Aktse. Die Bootsfahrt ist wunderschön, aber wir frieren. Es ist lausig kalt. Zumindest für uns Mitteleuropäer. Wir machen Mittag in Aktse, einer alten Samensiedlung mit bewirtschafteter Hütte, am Rande des Sarek Nationalparks. "Dieser Ort ist magisch", sagt Ebe, der Hüttenwirt, "kannst du dir vorstellen, dass hier mal 100 Menschen gelebt haben? Sie hatten hAnne-Sophie fährt uns durchs Delta des Rapaätno.ier sogar zwei Kühe". Anne-Sophie, die Sami-Frau, fährt uns ab 16 Uhr in vorsichtigem Zickzack- Kurs durch das atemberaubende Flussdelta des Rapaätnos zwischen Skierfe und Tjakkeli - immer den Felsen und Untiefen ausweichend. Nach einer halben Stunde Fahrt gehen wir an Land und verabschieden uns von ihr. Wir verlassen das Boot, wandern noch eine knappe Stunde lang am Ufer nach Norden und lagern dann wieder im Birkenwald. Ab jetzt sind wir ganz auf uns gestellt..

Tag 3: Nammatj - Alep Spatnek, 9 km

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Eine Wanderung durch das untere Rapadalen ist eine Herausforderung. In mehrfacher Hinsicht. Zum einen wirst du in jedem Fall nass. Egal, ob es gerade regnet oder nRumhart im unteren Rapadalen.icht. Es geht fast pausenlos durch Weiden und Birkendickicht. Und die Zweige tuen nichts lieber, als ihre nasse Fracht auf dich abzuladen. Dabei streifen sie auch gern alles ab, was du zuvor ein Isolierschichten auf deine Kleidung aufgetragen hast - Wachs oder Spray, ganz egal. Wir werden also nass. Zudem ist das Dickicht so dicht, dass ich den Weg, genau genommen sind es nur Trittspuren, auf nur ein oder zwei Schritte im Voraus erkennen kann. Das ist anstrengend, denn zudem musst du jWäscheleine mit Panoramablick aufs Rapadalen.eden Schritt genau abwägen. Der Boden ist nie, wirklich nie eben. Und er ist fast immer sumpfig oder schlammig oder beides. Ich komme mir vor wie Forrest Gump in Vietnam, nur in kalt. Eine Landschaft, wie Elche sie lieben. Nur sehen wir keinen. Wenn das Dickicht allerdings den Blick frei gibt, ist der Anblick überwältigend. Eine wilde ungezähmte Flusslandschaft umgeben von Bergen, auf denen Schnee oder gar Gletscher liegen. Nach 7 Stunden Marsch sind wir am Ende und finden glücklicherweise ein Plätzchen mit grandioser Aussicht direkt über dem ungezähmten Fluss. Zeit, die Kleider zu trocken.

Tag 4: Alep Spatnek - Skarki, 13 km

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Die zweite Etappe durch das Untere Rapadalen bringt uns an den Rand des Zumutbaren. Das erste Drittel dieser Etappe erleben wir regenfrei. Und wir genießen daSumpfiger Untergrund ist die Regel im Rapadalen. s. Kaum aber sind wir wieder im Dickicht verschwunden, beginnt es zu regnen. Und wir werden komplett durchweicht. Zudem nimmt der schlammige Pfad einfach kein Ende, es gibt mehrere kalte Bäche und tückische Sümpfe zu durchqueren, und so dauert es 8 1/2 Stunden, bis wir endlich unser Ziel neben der - natürlich verschlossenen - Skarki Hütte erreichen. Wir sind beide komplett durchweicht und erschöpft. Zeit für eine heiße Suppe im Lagerplatz vor der Skarki-Hütte.Zelt und ein leckeres Abendessen inklusive Dessert. Basta. In der Nacht hören wir heftige Sturmböen durch die Birken pfeifen, und ich frage mich, was wir wohl täten, wenn sie uns das Zelt, diese unglaublich dünne Hülle, die uns warm und trocken hält, zerrissen. Gar nicht schön wäre das, gut zwei Tagesmärsche von der nächsten Möglichkeit Hilfe zu holen entfernt. Doch dazu später mehr.

Tag 5: Skarki - Snavvavagge 4 km

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Der Wind hat abgeflaut, es regnet kaum noch. Wir bleiben bis neun in den warmen Schlafsäcken. Vor dem Aufbruch packe ich so, dass ich das Unvermeidliche bis zum Schluss hinauszuzögern kann: Ich muss meine kalten, nassen WanderklamotteBlick hinunter auf das Rapaselet.n anziehen, damit meine Ersatzkleidung trocken bleibt. Grauslich! Ich könnte natürlich auch in den trockenen Klamotten wandern, die ich gerade anhabe. Aber dann wären die in knapp einer Stunde genauso nass wie die anderen, und ich hätte nichts Trockenes mehr. Also rein in das klamme Zeug! Heute beginnt der Aufstieg. Wir wollen hoch zum Snavvavagge, einem Tal gut 400 Meterü¼ber unserem jetzigen Standort. Der Aufstieg ist elend steil, aber nach einer knappen Stunde haben wir endlich freie Sicht. Die Ausblicke auf das mit Neuschnee bezuckerte Piellorieppe-Massiv, den Tielma-Berg und die glänzenden Seen des Rapaselets sind umwerfend. Kurz vor der Furt über den Jilabach verlassen wir endgültig das Weidendickicht. Endlich frei! Zum ersten Mal überblicken wir das Rapaselet, einen Flussabschnitt, der sich in endlose Seen und Flusswindungen aufteilt. Wir sind überwältigt. Und erledigt, weil der Weg noch eine Stunde lang so verdammt steil ist. Ein bitterkalter Wind bläst uns von Norden ins Gesicht. Nach einer weiteren halben Stunde Marsch schlagen wir unser Zelt an einem Bächlein auLagerplatz im südlichen Snavvavagge.f, das dem Snaavasee zufließt. Es weht eine stramme, aber meist trockene Brise. Wir spannen eine lange Wäscheleine, trinken Kakao und vertrödeln den Nachmittag. Wir sind immer noch erschöpft vom Vortag. Die Berge um uns herum tragen Neuschnee, aber das Wetter scheint sich zu bessern. Zeit, darüber nachzudenken, worauf wir während unserer Tour verzichten: vertraute Gesichter, vier Wände & festes Dach überm Kopf, Heizung, fließend warmes Wasser, ein vernünftiges Klo, Fernsehen, Internet, Autos, Alkohol, Softdrinks, Sex, Musik - herrje, gar nicht so wenig! Warum wir das tun? Gute Frage. Vielleicht weil es sich so unglaublich real und unmittelbar anfühlt, auf all diese Annehmlichkeiten zu verzichten. Und ganz sicher weil wir Männer im Gegenzug dafür etwas bekommen, dass uns hin und wieder sehr wichtig ist: unsere Ruhe.

Tag 6: Snavvavagge - Pielavalta, 10 km

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Heute ist Sonntag und das in jeglicher Hinsicht. Am Morgen haben wir zwar noch eine Eisschicht auf dem Zelt, aber von da an wird es stetig sonniger und wärmer. Um 8 Uhr geht die Sonne über den Bergen auf. Kaum Wind. Beim Frühstück hören wir ein seltsames Geräusch; als ob ein Kipplaster direkt neben unserem Zelt Steine Alle Mühen wert: Panoramablick über Skarja hinweg auf das Sarekmassiv.abladen würde. Eine Steinlawine, sagt Rumhart. Wir schauen uns um, können aber nichts dergleichen entdecken. Das Rätsel löst sich erst ein paar Stunden später. Wir starten um 11.15 Uhr und folgen dem Pfad durch das Snavvavagge nach Norden. An seiner Abbruchkante bestaunen wir bei bestem Wetter den Ausblick auf das obere Rapaselet, Skarja, das Sarekmassiv, den EiVerdient: Mittagsrast im Sonnenschein.ngang zu vielen weiteren Tälern. Kaum noch Wolken am Himmel. Der Abstieg Richtung Skarja ist eine Herausforderung: sehr steil und unwegsam. Ein Teil des Pfades ist verschüttet. Die beim Erdrutsch abgerissenen Pflanzen sind noch grün und feucht. Das war das Geräusch, das wir Morgen gehört haben. Unser Glück, dass die Erdmassen lange vor uns den Weg nach unten angetreten haben. Nach dem Abstieg machen wir ausgiebig Mittagspause und genießen die Aussicht. Endlich kann ich die Sonnenbrille aufsetzen und ohne Jacke wandern. Ein Genuss! Wir sehen die zentralen BerGewagt: Erfrischung in Pielavalta mit Blick aufs Pastavagge.gmassive des Sareks mit ihren Gletschern und dazwischen den oberen Lauf des Rapas, Skarja sowie die Eingänge zu den großen Tälern und sind schlichtweg überwältigt. Allein dafür hat sich die Tour gelohnt. Davon sind wir beide überzeugt. Nach gut eineinhalb Stunden erreichen wir die Pielahütte und schlagen in Ihrer Nähe unser Zelt auf. Ich nehme ein kurzes Bad im eiskalten Pielajauratjah und lege mich danach in die Sonne. Herrlich! Abendessen im Freien und danach Blick auf die untergehende Sonne über Ruotes. Mein iPhone hat keine Energie mehr, ich kann also nicht fotografieren. Dieser Moment gehört nur mir. Sehr schön. Stille. Nur die Bäche plätschern. Ein paar Wasservögel rufen. Totaler Friede.

Tag 7: Pielavalta - Kukkesvagge Ost, 11 km

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Und wieder weckt uns die Sonne. Der Tag beginnt wunderschön. Wir wandern nach Norden am türkisblauen Pierikjaure vorbei, einen Gebirgssee, über dem derRumhart vor dem mächtigen Pierikpakte. mächtige Berg Pierikpakte thront - wie ein kantiger, übergroßer Zwergenkönig aus dem Herrn der Ringe, der den See mit seinen ausladenden Flanken umfasst. Eine Handvoll Wanderer begegnet uns und teilt uns mit, dass für morgen Regen angesagt sei. Wer will denn das hören? Wir schlagen am VuoinesvarLagerplatz an der Brücke im Kukkesvagge.atj unser Lager auf und trinken heißen Kakao. Unsere Körperwärme heizt das Zelt auf knapp 20 Grad, und wir werden schläfrig. Viel zu früh! Spontan entscheiden wir, unsere Route um einen Umweg durchs Kukkesvagge und das Vuoskelvagge zu verlängern. Ruckzuck bauen wir das Zelt wieder ab, packen unsere Rucksäcke und wandern weiter bis zur Brücke über den Kukkesvaggejakka (Bach), also genau bis zur Nordgrenze des Nationalparks. Es wird mittlerweile tatsächlich wolkiger, und wir schlagen - nach gut zwei weiteren Wegstunden - unser Lager direkt neben der Brücke auf. Exakt an der gleichen Stelle, wo ich vor 34 Jahren meine allererste Nacht im Sarek verbracht habe..

Tag 8: Kukkesvagge Ost - Tjeurajakka, 9 km

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Wider Erwarten weckt uns die Sonne. Die Wolken fern im Osten und Westen versprechen allerdings Regen. Wir frühstücken, bauen ab und verlassen den Sarek, inEs trübt sich ein im Kukkesvagge.dem wir über die Brücke über den Kukkesvaggebach in den benachbarten Stora Sjöfallets Nationalpark wechseln. Mir fällt auf, dass mein bislang letzter Zeltplatz im Sarek der gleiche war wie mein erster vor 34 Jahren. Wir wandern sechs Stunden lang das Kukkesvagge entlang nach Nordwesten, ohne einem Menschen zu begegnen. Das Terrain ist abwechslungsreich: Sümpfe, Blockfelder und Buschwerk wechseln sich ab oder beglücken uns in Kombination. Es regnet, der Himmel ist grau. Die Wolkendecke scheint dünn zu sein, denn hin wieder sehen wir eine fahle Sonne am Himmel. Wir halten unsere Pausen kurz, damit wir nicht auskühlen. Wir ziehen weiter, immer nach Nordwesten in Richtung auf Akka, dem großen, einzelstehenden Bergmassiv, das auch die Königin Lapplands genannt wird. Gegen 14 Uhr finden wir ein windgeschütztes Plätzchen an einem Bach und machen Mittagspause. Anfangs tröpfelt es noch, Lichtblick: Akka im Sonnenschein.aber dann kämpft sich tatsächlich die Sonne durch die Wolken. Was für ein Segen! Wir genießen unsere Pause. Die Sonne begleitet unseren Marsch bis nordwestlich des Tjeurabachs, wo wir lagern. Dort genießen wir noch eine Stunde lang die Sonne trotz der zahlreichen Moskitos. Dann bläst kalter Wird von Nordwesten, und wir verziehen uns ins Zelt. Zum Sonnenuntergang gönne ich mir einen Abendspaziergang ganz alleine. Es ist so schön, diese Weite und Stille zu genießen. Die meisten Gipfel des Sarekmassivs haben sich in Wolken gehüllt. Mich erfüllt wieder dieses wohlige Gefühl, dass ich total alleine und doch geborgen bin. Das ist immer wieder eine der schönsten Erfahrungen, die ich in der Wildnis erleben darf. Selbst das Wissen, dass ich hier erfrieren würde, wenn ich mein Zelt nicht wiederfände, kann da nicht stören. Im Gegenteil: Alles scheint richtig so.

Tag 9: Tjeurajakka - Atjek, 11 km

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Es ist stark bewölkt und windig, aber zumindest regnet es kaum. Heute wollen wir die Kurve kriegen. D.h., wir wandern um den Tjeuraberg herum und gehen nicht mehr nach Nordwesten, sondern nach Osten. Über dem Tjeuraberg sehen wir eiAm Rande der Kassalakko.nen Adler fliegen. Von Menschen weit und breit keine Spur in dieser traurigen Gegend. Wenig später geraten wir in heftige Blockfelder. Wir sind am Rand der Kassalakko unterwegs, der Gänseebene. Ich frage mich, ob sich die schwedische Kinderbuchautorin Selma Lagerlöf nicht genau von dieser Gegend hat inspirieren lassen, als sie "Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen" schrieb. Immerhin liegt die Gänseebene ja genau zu Füßen jenes schönen Bergmassivs, das den gleichen Namen trägt wie die Leitgans im Buch, die ihre Schar und den kleinen Nils nach Lappland führt: Akka. In dieser Gegend bin ich vor 15 Jahren schon an den Rand der Verzweiflung gekommen, weil das Durchqueren der Blockfelder unglaublich schwer war. Ich wollte dort eigentlich nie mehr hin, aber jetzt hat mich zumindest der Rand dieser Gegend irgendwie wiedLagerplatz am Atjek.er magisch angezogen. Keine Ahnung warum. Die Steine haben Größen zwischen der eines Fußballs und der einer Garage. Sie sind nicht leicht zu überqueren und sehr gefährlich, denn wenn du hier stürzt, kannst du dir schnell die Knochen brechen. Glücklicherweise sind Sie trocken und daher nicht glitschig. Die Gegend gleicht immer mehr einer Mondlandschaft, darüber können auch die zahlreichen Seen nicht hinwegtäuschen. Alles sieht elend und trostlos aus. Der Wind bläst wieder heftiger, und wir suchen uns ein möglichst windgeschützten Plätzchen hinter zwei Felsen. Nach unserem Abendessen fallen wir beide in einem kurzen Schlaf. Wir wissen noch nicht, dass diese Nacht keine schöne werden wird.    

Tag 10: Atjek - Suorva, 18 km

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Die Nacht auf diesen Tag ist die schlimmste, die ich jemals in einem Zelt erleben durfte. Aus dem Wind des Vorabends ist ein regelrechter Orkan geworden. Die Böen fallen so schlagartig und kräftig über uns her, dass es mir schwerfällt, dabei nicht an pure Boshaftigkeit zu denken. Sie rütteln und reißen an unserem Zelt, dass wir beide wirklich Angst bekommen, ob es den Kräften der Natur standhalten wird. Die Reißverschlüsse tun es schon einmal nicht. Sie werden vom Wind immer wieder aLuxus: windstilles Plätzchen im Sonnenschein.ufgezerrt, und wir müssen sie immer wieder zuzerren. An Schlaf ist nicht zu denken. Nach ein paar besonders heftigen Windstößen ist für kurze Zeit totale Ruhe. Frieden fast. Aber der Sturm holt nur Luft, und dann lässt er seine schlimmste Bö auf uns los. Häringe lösen sich aus dem Boden, als wäre der aus Butter, und das Zelt gerät mit einem Schlag völlig außer Form. Für einen Moment ziehe ich mir den Schlafsack über den Kopf und will nur noch weg. Aber es hilft nichts. Ich muss hinaus in die dämmrige Dunkelheit und den Schaden begutachten. Rumhart muss im Zelt bleiben, damit es uns nicht wegfliegt. Draußen erschrecke ich. Das Zeltgestänge ist gebrochen. Notdürftig versuche ich in der Dunkelheit, die herausgerissenen Häringe, durch neue zu ersetzen, die ich mit der Hand in die Erde treibe. Dabei brülle ich aus voller Kraft gegen den Sturm an. Das beeindruckt niemanden, fühlt sich aber gut an. Das Gestänge kann ich, bewaffnet mit einer Taschenlampe und einer Alumanschette, notdürftig reparieren. Wir entscheiden uns, auf alle Fälle im Zelt zu bleiben. Denn an Weiterwandern in der Dunkelheit ist wegen der großen, regennassen Blockfelder nicht zu denken. Immer wieder fällt Regen auf das Zelt. Der Sturm lässt ein wenig nach, und wir fallen beide in einen unruhigen Schlaf. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als auch in dieser Zeit, die wenig an gute Mächte im Sinne Dietrich Bonhoeffers erinnert, darauf zu vertrauen, dass wir eben doch geborgen sind. Um 6 Uhr morgens haben wir endgültig genug davon, wie Sturm-Opfer machtlos in unseren SchlafIm Vuoskelvagge mit Blick auf Slugga (rechts).säken zu liegen. Wir entscheiden uns, alles einzupacken, das Zelt abzubauen und so schnell wie möglich los zu marschieren. Frühstück und Kaffee lassen wir sausen. Um 7:00 Uhr sind wir startbereit und marschieren nach Osten. Der Rückenwind treibt uns förmlich über die Blockfelder. Ein reißender Bergbach stellt sich uns in den Weg und will überquert werden. Wir haben keine Lust darauf, ihn in Sandalen zu durchwaten und folgen deshalb lieber einer kleinen Rentierherde, die uns einige Höhenmeter weiter oben den Weg zu einer Furt weist. Erst nach mehr als vier Stunden gönnen wir uns unsere erste Rast. Und als wäre es abgesprochen, scheint die Sonne auf uns herab. Für uns ein kleines Wunder. Zudem haben wir einen guten Windschutz hinter einem großen Felsen gefunden. Zeit Atem zu holen. Weit reicht unser Blick nach Osten über den Kegelberg Slugga hinweg bis ins typisch nordschwedische Waldland. Danach geht alles ganz schnell. D.h., wir gehen ganz schnell. Weil das Zelt beschädigt ist, haben wir endgültig beschlossen, unsere Tour abzukürzen. Außerdem sitzt uns noch die Orkannacht in den Knochen. Wir wollen den Nachmittagsbus nach Gällivare erreichen. Das gelingt uns quasi in letzter Minute. Die 500 Höhenmeter Steilabstieg ohne Weg und Steg sowie den total verschlammten Pfad nach Suorva bringen wir so schnell hinter uns, dass mir noch Tage danach die Knie schmerzen. Ehe wir es richtig realisieren, sind wir raus aus der Wildnis, und unser Abenteuer ist beendet. Wir haben es beide nicht nur bewältigt, sondern genossen. So seltsam das in manchen Ohren klingen mag. Es war eine wunderbare Zeit, die wir beide als Gewinn für unser Leben betrachten. Zudem hat jeder von uns einen neuen Freund gefunden. Kaum zu glauben, dass wir uns knapp 14 Tage zuvor erst kennen gelernt haben. Keiner von uns beiden hat sich jemals darüber beschwert, sich auf diese Tour eingelassGanz was Neues: Wir warten auf den Bus in Suorva.en zu haben. So haben wir es gewollt, hat Rumhart hin und wieder gesagt. Und genau so haben wir es bekommen. Das ist Akzeptanz. Ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich daran denke, wie typisch norddeutsch Rumhart ein ums andere Mal meine Frage, ob wir die Pause beenden und weiterwandern wollen, beantwortet hat: "Wenn das Nötigen kein Ende nimmt." Köstlich! Ich bin unglaublich dankbar für dieses grandiose Abenteuer und weiß: Es lohnt sich, die Bequemlichkeitszone hin und wieder zu verlassen. "Das war seit Jahren der schönste Urlaub, den ich hatte", sagt Rumhart beim Abschied am Flughafen, und ich bin sehr froh, dass ich daran teilhaben durfte.